Donnerstag, 5. Juli 2007

evidence of creation

Geschrieben von sjAlfur unter sjÁlltag

Gerade bei Kulturzeit einen Wissenschaftler gesehen, der mal wieder eindruckvoll bewiesen hat, wie ignorant gewisse Debatten mittlerweile geführt werden. Es geht um den Fall der hessischen Kultusministerin Karin Wolff, die gefordert hatte, den Schulunterricht um Aspekte der christlichen Schöpfungsgeschichte zu erweitern. Insbesondere im Fach Biologie öffnet das der schon seit langem - vor allem mit Blick auf die USA - geführten Diskussion um das kreationistische Glaubensmodell damit eine Tür zum nächsten großen Aufreger, der medial mit Freuden angenommen wird.

Wolff hatte festgestellt, wie viele Übereinstimmungen es zwischen christlicher Schöpfungsgeschichte und biologischer Evolutionstheorie gibt, und sieht darin die Begründung, auch im Biologieunterricht diese Fragen zu erörtern.

Wissenschaftler und politische Opposition (letztere natürlich auch aus Prinzip) fürchten nun den Einfall der kreationistischen Horden, die die Jugend irreleiten. Ob man die Äußerungen Wolffs als glücklich bezeichnet, oder es besser lässt, sei mal dahingestellt, auch legt die Mitgliedschaft in einer Partei, die nach wie vor ein "C" im Namen trägt, gewisse Vermutungen nahe.

Davon aber abgesehen folgte bei Kulturzeit der Paradeauftritt der angestaubten Wissenschaftssicht, die ebensowenig zeitgemäß wie haltbar ist, an der sich aber noch immer emsig festgeklammert wird. Da war ein Biologe im Interview, der vehement gegen jeglichen Einfluss philosophischer und ethischer Ansätze auf den Biologieunterricht ins Feld zog, die Wichtigkeit des Vermittelns von "Faktenwissen" (bei der EvolutionsTHEORIE...) aufs Podest hob und die Messbarkeit seines Weltbilds predigte.

Das Problem ist: Solche Leute stehen auf einem Standpunkt, der für den Großteil des nicht wissenschaftlich eingebundenen Zuschauerkreises logisch erscheint, und demgegenüber einerseits die Glaubensvertreter stehen, die mit ihrer fundamentalen Ansicht mindestens ebenso schlimm sind und sich ganz offensichtlich in nachvollziehbare Logikprobleme verstricken (siehe die Kreationisten, die in ihrem Museum Wege suchten, die Dinosaurier so einzubauen, dass sie in die Schöpfungsgeschichte passen... also auch mit Menschen gleichzeitig lebten...). Auf der anderen Seite sind da die Wissenschaftler, die nicht mehr auf dem Stand der Siebziger sind, in der es noch die guten alten Fakten gab, in der man noch mit Messskalen und Laborversuchen jegliche Empirie widerlegen konnte. Aber diese Leute argumentieren weniger eindeutig, sie brauchen größere gedankliche Konstrukte um ein Problem einzuschätzen, Konstrukte, für die der Platz in einem fünfminütigen Interview nicht ausreicht.

Wir leben in der Wissenschaft spätestens seit den frühen Achtzigern mit den interpretativen Ansätzen, der Postmoderne und weiteren lustigen Errungenschaften, die jedoch kaum bei allen Studenten ankommen, teilweise nicht mal wirklich in allen wissenschaftlichen Disziplinen.

Das liegt aber auch daran, dass wir nach wie vor von klein auf absolute Weltbilder erlernen. Die Schule vermittelt Wissen. Fakten. Warum? Naja, ist halt Schule. Würde die Schule entsprechend dem aktuellen wissenschaftlichen Stand dazu übergehen, Dinge in Frage zu stellen bzw. zur kritischen Sichtweise anregen, würde es in Zukunft vielleicht eine größere Sensibilität für solche Dinge geben.

Vor allem muss die Evolution aus unseren Köpfen verschwinden, und zwar nicht die biologische, sondern die kulturelle. Wie oft sieht man immer noch Menschen, die glauben, an "Ureinwohnern" zu sehen, wie wir vor Jahrhunderten gelebt haben, die unsere Wissenschaft als die höchste ansehen, weil wir die kompliziertesten Messgeräte und längsten Formeln haben...

Damit das nicht falsch verstanden wird, ich denke auch, dass der Biologieunterricht in erster Linie dazu da sein sollte, die großen biologischen Zusammenhänge zu erklären, aber NUR unter Einbeziehung der Klarstellung, dass ALLES was in der Schule vermittelt wird (egal welches Fach) subjektives Wissen unserer Kultur ist. 1 + 1 ergibt 2 weil unsere Kultur es irgendwann mal so definiert hat.
Axiome wurden uns als unumstößliche Fakten dargestellt, sie sind es aber nur deshalb, weil z.B. die Mathematik diese Fakten braucht, um überhaupt existieren zu können. Dass sie als möglichst genaue Abbilder natürlicher Gesetzmäßigkeiten (nicht mit den sog. "Naturgesetzen" zu verwechseln) angelegt sind, und dass unserer Ansatz kein ganz schlechter sein kann, wenn wir es auf diesen Grundlagen doch schon so weit gebracht haben, darf man dabei ja gerne erwähnen, aber das heißt nicht, dass es die einzigen gültigen Ansichten sind.

Die Mathematik zeigt doch alleine schon mit der projektiven Geometrie, dass man Dinge auch mit unterschiedlichen Sichtweisen sehen muss, warum wird nicht endlich mal richtig vermittelt, dass Quellenkritik nicht nur historische Texte oder die Medien, sondern auch jede Art von Lehrmeinung betreffen muss?

Zurück zum Biologie-Unterricht und dem Glauben. Ein anerkannter Wissenschaftler hat mal gesagt, dass es für ihn einen Punkt gab, an dem seine wissenschaftliche Sicht nicht weiter in die Tiefe gehen konnte. Er war sich sicher, dass es irgendwann in der Zukunft mit neuen Mitteln weiter erforschbar wäre, aber an dem Punkt, an dem für ihn die maximale Sichtweite erreicht war, war er sich sicher, dass es eine übergeordnete Kraft geben muss, die diese Dinge so angeordnet hat. Es kann kein Zufall so groß sein, dass diese Anordnungen von Atomen zu solch komplexen Strukturen führt wie dem menschlichen Organismus. Dort wo sein wissenschaftlicher Horizont aufhörte, war es an der Zeit, Gott zu sehen.
Dieser Wissenschaftler hieß Albert Einstein, und was er damit gezeigt hat (übrigens nicht als erster...), ist die Koexistenz von messbarer Wissenschaft und gedanklichen Ansätzen. Mittlerweile befinden wir uns weit unter der atomaren Ebene und kennen die Quantentheorie, und trotzdem gibt es einen Punkt, der wieder die Frage nach der Ordnung aufwirft...

Der ideale Biologieunterricht wäre, den Schülern die wichtigen Fakten beizubringen und ihnen gleichzeitig zu zeigen, dass auch der neueste Stand der Technik nicht naturgegeben sondern menschengeschaffen ist. Ebenso wie in den Bereichen von Kulturwissenschaft. Denn wenn die Lehrer sich da nicht reindenken, wie sollen es die schüler können? (Zitat unseres Mathelehrers: "Kreativität ist der Deckmantel der Unwissenheit." - Es ging dabei um einen alternativen Lösungsansatz einer komplexen Aufgabe, der zum selben Ergebnis führte, aber nicht den mathematischen standards entsprach... wobei es sicher richtig ist, diese Standards in der Schule beizubringen, um den Schülern den Einstieg in diese Wissenschaftsform zu ermöglichen.)

Aber solange Wissenschaftler wie auch Glaubensvertreter reine Fundamentalisten sind, wird die Debatte weiter so geführt und verkommt zur internationalisierten Sitcom...


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