2046

Mittwoch, 27. Februar 2008

Topographie 13

Geschrieben von sjAlfur unter 2046

49°45'35"N - 8°51'15"O - Blickrichtung: Süd
Nachtwanderung. Ich habe sie geliebt und viel zu selten gemacht. In einer Stadt ist das natürlich sinnlos, zuviel Licht, zuviel Lärm... Als ich im ersten Sommer in das Dorf meiner Grundschulzeit zurückkehrte, wanderten wir. Nachts. Von einem Griechen zurück, bei dem ich viel zu viel gegessen hatte, wenn ich mich richtig erinnere. Über eine schmale Straße durch die Felder und Wälder des Odenwalds. Dort, wo sich die Dörfer in kleine Bachtäler flüchten und von Ferne den Anschein erwecken, hier wären nur Hobbits zu Hause, dort wo Waldhänge das wenige Licht der Ansiedlungen schlucken, wo eine vereinzelte Straßenlaterne bei einer Ansammlung von drei Höfen um 22 Uhr erlischt, wo kaum Autos fahren, weil es in dieser Gegend keinen Grund gibt, irgendwohin zu fahren, dort wanderten wir.
Auf einem Hügel hielten wir an. Um uns trotz des Sommers nur Mondlicht. Und Sterne. Jeder weiß, dass man viele, viele Sterne sieht, wenn nirgendwo sonst ein Licht scheint (und es nicht bewölkt ist), aber ich fragte mich in dem Moment, ob man so etwas wirklich wissen kann, wenn man es nicht selbst gesehen hat. Die Nacht ist nicht still, sie ist auch nicht völlig dunkel, das ist sie nur in den Träumen von Goths oder in Erzählungen von Poe.
Und wieder stellt man fest wie brutal aber doch wichtig, da real, die plötzliche Erdung solcher Momente sein kann. Wir saßen dort auf dem auskühlenden Asphalt, und dann kam das einzige Auto, das uns in der Nacht begegnete. Wir bemerkten den Lichtschein bereits, als es den gegenüberliegenden Hang hinabfuhr. Es rauschte an uns vorbei, und blieb nur eine kurze Notiz. Die Nacht dort kann nichts beeindrucken.

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Dienstag, 26. Februar 2008

Topographie 12

Geschrieben von sjAlfur unter 2046

48°14'57"N - 11°33'56"O - Blickrichtung: Nord
Wir hatten die Spitze des Baums fast erreicht. Nur noch wenige Zentimeter trennten ihn von den Ästen, die ihn nicht mehr halten würden. Wir waren schon als Kinder - wie vermutlich die meisten Kinder - immer auf Bäume geklettert, wenn sich die Gelegenheit bot. Dieser Baum war in etwa so groß wie die Bäume damals. Seine Hände waren auf gleicher Höhe wie damals. Nur seine Füße waren jetzt viel weiter unten. Ungefähr achtzig Zentimeter über dem Boden.
Damals waren die Bäume hoch in unserer Vorstellung. Wir blickten einfach nach oben, so dass wir keinen Boden mehr sahen, und schon spürten wir die Höhe. Auch wenn wir keine zwei Meter hoch saßen. Ich hatte die Kamera mit an diesem Tag. Unsee Größe hatte sich vielleicht verändert, aber nicht unsere Sichtweise. Eine Kamera sieht nur das, was sie sehen soll. Der bewölkte Himmel, sein Grinsen, dass sich seit Kinderzeit nicht geändert hat, den Baumwipfel... Dann doch ein Kameraschwenk, die Position der Füße, der wenig entfernte Boden. Das war nur gerecht. Als Kinder mussten wir die Nähe des Bodens auch immer wieder feststellen...

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Topographie 11

Geschrieben von sjAlfur unter 2046

48°09'36"N - 11°29'34"O - Blickrichtung: Ost
Ich mag kleine Winkel. Ich mag auch große Räume und weite Flächen, aber das spielt hier keine Rolle. Ich mag kleine Winkel. Vor allem nahe großen Räumen und weiten Flächen. Als ich einen Blick in den Raum war, wusste ich, warum. Es ist das Unerwartete. Die Treppe, vor ein Fenster gezimmert, das nicht so aussah, als hatte es geplant, eine Treppe vorgesetzt zu bekommen, führte hinauf. Ich musste den Kopf einziehen, so wie mein Vater es früher machte, wenn wir in alten Burgruinen waren, was ich als Kind immer unheimlich cool fand. Jetzt war es eher Notwendigkeit. Mein Bruder folgte und zog ebenfalls den Kopf ein.
Die kleinen Zimmer waren nur zu einem kleinen Teil begehbar, aber der Blick aus den kleinen Fenstern unterm Dach reichte aus um zu wissen, dass weder Schöner Wohnen noch Einsatz in vier Wänden hier etwas verbessern konnten. Ikea-Regale machen sich auch nicht so gut in Schlössern... und seien es auch nur kleine Parkburgen.

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Montag, 25. Februar 2008

Topographie 10

Geschrieben von sjAlfur unter 2046

48°09'23"N - 11°31'43"O - Blickrichtung: Nord
Meine offizielle Konfession ist katholisch. Ich sollte das mal ändern. Nicht, dass ich die Kirche als Quelle allen Übels sehe, ich will mir auch nicht anmaßen ein Urteil über das Verhältnis zwischen positiven und negativen Seiten zu fällen, aber mein Glaube ist ebensowenig kompatibel mit den Statuten der katholischen Kirche, wie mein Leben an sich. Ich persönlich glaube auch, dass es mehr Sinn macht, seinen Glauben nicht an etwa zu adressieren, was von Menschenhand errichtet wurde. Wenn ich will, dass jemand meine Gedanken hört, dann habe ich eher das Gefühl, dass ich mich von Gebäuden fernhalten sollte. Nichts gegen alte, dunkle Kirchen, das sind teilweise imposante Bauwerke, aber nichts gegen ein Blätterdach...
Wenn man aber in einer Kirche sitzt und das eindeutige Gefühl hat, dass man inmitten einer Stadt der Erde und dem Himmel näher ist als man es vorher erwartet hat, dann lohnt es sich, seine Meinung über Gebäude als solche zu überdenken. Und auch wenn ich es bisher vermieden habe, die Orte hinter den Koordinaten explizit zu nennen, wer in München ist, sollte der Herz Jesu Kirche einen Besuch abstatten, möglichst bei Tageslicht.

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Topographie 09

Geschrieben von sjAlfur unter 2046

48°09'22"N - 11°31'14"O - Blickrichtung: Nord
Wir waren kreativ. Richtig kreativ. Wir hatten es geschafft, ein lachendes Klo zu vertonen. Als Animation versteht sich. Kennt jemand die Bezeichnung "btree header"? Gute Arbeit zeigt sich dann, wenn man rumalbert, Blödsinn auf unterstem Niveau macht und die Zeit irgendwie im Flug vergeht, aber trotzdem etwas dabei rauskommt. Das war der Fall. Wir waren echt gut. Kennt jemand die Bezeichnung "btree header"?
Zwei Stunden waren vergangen, seitdem ich eigentlich nach Hause fahren wollte. Aber die Arbeit war gerade produktiv, warum also unterbrechen?
Es gibt immer wieder Menschen, mit denen man gut zusammenarbeiten kann und dann aus irgendwelchen blöden Ideen tatsächlich etwas wird. Und er gehört definitiv dazu. Wenn jemand einen Experten sucht, der auch der absurdesten Idee noch etwas abgewinnt udn zudem gleich die Recherche danach übernimmt, wie man das gewinnbringend umsetzen könnte, dann kann ich ihn da definitiv empfehlen.
Doch kurz bevor das vertonte Toilettenmonster (Anmerkung: die Animationen waren nicht von uns, wir haben nur den Sound gemacht) die Weltherrschaft an sich reißen konnte, gab es ein kleines Problem mit der externen Festplatte. Das Problem ließ sich nicht beheben. Außerdem war es nicht klein. Es war groß! Es zerstörte unsere grandiosen Werke! Und Schuld war nur der "btree header"...

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Sonntag, 24. Februar 2008

Topographie 08

Geschrieben von sjAlfur unter 2046

48°10'23"N - 11°33'02"O - Blickrichtung: Süd
Das Zelt stand noch da, doch ich war nicht mehr darin sondern davor. Der Tag war heiß. Wir hatten die kühle Hölle des unterirdischen Aquariums verlassen und saßen auf den warmen Steinstufen oberhalb des Sees. Eine Woche zuvor hatte ich dort im Zelt auf der Bühne gesessen und meinen Blick über die vereinzelten Personen schweifen lassen. Blickrichtung: Nord. Ich hatte mich gefragt, warum um alles in der Welt die ein paar Stagehands beim entspannten Verkabeln der Wedges zusehen...
So ändert sich die Ansicht. Als wir dort saßen, war die Bühne noch leer. Niemand arbeitete dort, aber immerhin war es warm und sonnig. Ich stellte mir die Frage, ob es nicht ebenso unverständlich sei, dass Leute vor einer leeren Bühne im Regen sitzen, wie wenn ich vor einer leeren Bühne in der Sonne sitze. Aber meine Schwester war zu Besuch. Und wann immer meine Geschwister in der Nähe sind, wird das Leben entspannt. Ich weiß nicht warum, vermutlich ist das so eine genetisch festgelegte Familien-Chemie, die dafür sorgt, dass die Zeit einfach mal etwas langsamer läuft...
Außerdem hatten wir etwas zu essen und mussten uns damit schließlich irgendwo hinsetzen. Das war dann auch Grund genug, den Gedankengang zu beenden.

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Topographie 07

Geschrieben von sjAlfur unter 2046

48°09'39"N - 11°33'48"O - Blickrichtung: Süd
Es gibt Orte auf der Welt, für die braucht es kein besonderes Ereignis, keinen interessanten Moment. Sie haben ihr eigenes Flair. Dieses umfing uns, als wir an einem Samstag aus der Tram stiegen. Die Fahrt vom Schlosspark war lang genug, um wieder halbwegs aufzutauen. Spätherbst und kühler Wind. Wir waren auf dem weg nach Hause. Knapp zehn Quadratmeter. Doch wir hatten den Schlosspark adoptiert. Es war unser Garten, und der war groß genug um uns beide zu fassen.
Dieser Ort hier ist die Schnittstelle. Der Übergang einer Welt voller Weite und Gedanken in eine Welt voller Enge und Wirklichkeit. Und an dieser Schnittstelle bleibe ich noch heute stehen und frage mich, was mit mir passiert, wenn ich eine Welt verlasse und eine andere betrete. Es gibt viele dieser Schnittstellen, und es scheint so, als ändert sich ein Teil meines Wesens an jedem Übergang. Ich bin nicht ich bin nicht ich bin ich... und so weiter. Vielleicht sind es die Welten, die ich überwinden muss, um irgendwann einen klaren Blick auf das Ganze zu bekommen, aber vorerst bleibe ich an meiner Schnittstelle und beobachte meinen kondensierenden Atem.

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Samstag, 23. Februar 2008

Topographie 06

Geschrieben von sjAlfur unter 2046

48°09'03"N - 11°34'44"O - Blickrichtung: West
Lichtblicke prägen sich ein. Warum? Ich persönlich glaube, dass unser Gedächtnis ein großes Buch voll mit Fotopapier ist. Je heller die Belichtung, desto klarer die Kontraste in der Dunkelkammer der Erinnerungen. Das Bild in diesem Winkel der Erde zeigt mich an einem Freitagnachmittag. Kurz vor dem Wochenende, im Gepäck Lakritztee und Lebkuchen, vor mir die knorrige Tür des Instituts für Nordistik. Es war so etwas wie Tradition. Tradition für ein Semester, danach war der Winter zu Ende. Und der Freitag war nicht mehr das, was er vorher war.
Der Isländischkurs war vermutlich meine beste Zeit an der Uni... und das in einem Fach, in dem ich gar nicht eingeschrieben war.
Im Nachhinein ist das nicht so schlimm. Ich kann es als "Ich hab nur das gemacht, was mir Spaß macht!" auslegen. Das ist zwar weder die Wahrheit noch erstrebenswert, aber es klingt cool. Und darauf kommt es hier doch an, oder? Cool sein. Will ich. Kann ich. So. (Zumindest solange mich das Internet vor näheren Blicken schützt...)

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Topographie 05

Geschrieben von sjAlfur unter 2046

48°08'00"N - 11°34'59"O - Blickrichtung: Ost
Damals kostete der Chickenburger nur einen Euro. Das gute alte Einmaleins unter dem großen, gelben Buchstaben. Ich hatte ein Seminar verlassen. Der Raum war bedrückend, viel zu voll, das Haus als solches war betongewordenes Grauen, die Welt der Studenten wollte in meinen Kopf eindringen, und ein Blick aus dem Fenster ließ die kühle Regenluft erahnen. Städte im Regen haben etwas göttliches. Die Lichter der vorbeischwimmenden Tram, der Wind von der Isar aufsteigend, das gedämpfte Hupen des Münchner Stadtverkehrs, vorbeieilende Regenschirme... Es war, als wäre die Stadt eine Kulisse, einzig gebaut für mein eigenes Kopfkino. Ich ließ die Egozentrik einen Moment schweifen und besann mich dann wieder darauf, nicht von Fahrrädern überrollt zu werden.
Hinter der Glasscheibe war es warm und das helle Licht leuchtete in die Dämmerung hinaus. Ich saß nahe der Tür um den Luftzug zu spüren, wenn jemand hereinkam. Das Burgerpapier zusammengeknüllt lehnte ich mich zurück und holte den Umschlag aus der Tasche. Ich las erneut. Ein Gefühl von Freiheit umgab mich, wie ich es in dieser Stadt nicht für möglich gehalten hätte. Der Inhalt des Brieftextes war nichts besonderes... oder zumindest nichts, was über die Besonderheit der Gedanken eines Freundes hinausgeht. Aber das Symbol war das was zählte. Ich entschloss mich in dem Moment damals, an der nächsten Ausfahrt abzufahren.

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Freitag, 22. Februar 2008

Topographie 04

Geschrieben von sjAlfur unter 2046

47°58'29"N - 11°10'59"O - Blickrichtung: Nord
Es war so etwas wie eine Übergabe. Es ging um technisches Gerät, das auf dem Parkplatz unterhalb den Kofferraum wechselte. Unter den Augen der Bruderschaft, ein Aufstieg noch, dann waren dort die Gärten, grau und verregnet. Es war die Luft der Höhe, die meinen Atem aussetzten, während neben mir ein Nachhilfekurs in bayerischer Kultur ablief. Ich sah durch die großen Fensterscheiben hinaus in eine Welt unter Moos und bemerkte die Spiegelungen im Glas. Ich habe mich immer gefragt, wie das mit Kontakten läuft. Gibt es für so etwas einen Code, eine bestimmte Losung?
Dabei war mir das beste Beispiel seit Jahren bekannt. Ein Mensch, dessen größtes Problem eine schwer zu bändigende Toleranz ist, die ihm beim finden von eigenem Wesen und Zugehörigkeit unter Umständen im Weg steht, weshalb er sie gerne mal offensiv ausblendet. Er knüpft nicht Kontakte, die Kontakte passieren einfach. (So ähnlich wie bei Chuck Noris und dem Wasser...)
Mittelwege scheinen irgendwie nicht so unser Ding zu sein...

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